Ein Porträt des OL-Trainers Kilian Imhof
Eine Hand reicht nicht aus, um Kilian Imhofs verschiedene Tätigkeiten zu zählen. Von Beruf ist er Cheftrainer des Elite Kaders im Orientierungslauf (OL). Zudem engagiert er sich in der Kirche sowie in der Politik.
«Ich habe keinen Fernseher», sagt Kilian Imhof mit einem Lachen auf die Frage, wie viele Stunden denn sein Tag habe. «Wenn man etwas gerne tut, dann kann man auch mal länger dran sein. Meine Eltern standen täglich um halb fünf auf, haben den ganzen Tag gearbeitet. Am Sonntag gingen sie in die Kirche, und sie waren zufrieden», sagt der ausgebildete Primarlehrer, der als jüngstes von sieben Kindern auf einem Bauernhof in Balterswil aufgewachsen ist.
An seinen vielfältigen Aufgaben schätzt er, dass er in der Einteilung relativ frei ist. So kann es Tage geben, die von frühmorgens bis nach 21 Uhr mit Arbeit gefüllt sind. Beispielsweise, als er an einem Tag ins Wallis und wieder zurück reiste, um vor Ort Vorbereitungen für einen OL-Wettkampf zu treffen und am Abend noch eine telefonische Besprechung hatte. «Ich kann aber auch gut an einem ruhigeren Tag mitten am Nachmittag eine Laufrunde einbauen, was ich sehr schätze», sagt Kilian Imhof.
Gern unterwegs
Kilian Imhofs Hüte sind in vier Schränken. Im Politik-Schrank hängen zwei namens Kantonsrat und Fraktionspräsident. Im Kirchen-Schrank die Hüte Lektor und Wahlkreisvorsitzender in der Synode und im Orientierungslauf-Schrank Trainer, persönlicher Betreuer und Breitensportler. Im Familien-Schrank hängen unter anderen die Hüte Ehemann, vierfacher Vater und Grossvater.
Dank dem Orientierungslauf, zu dem er bereits als Kind vor allem durch seinen Bruder Beat gekommen ist, kam er raus in die Welt: Kaum ein Tal, kaum ein Wald in der Schweiz, in dem er noch nicht OL gemacht hat. Und mit dem Älterwerden vergrösserte sich der Radius: Europa, besonders Skandinavien, Japan und USA. Nach wie vor ist er viel und vor allem immer noch gerne unterwegs. (Nomen est Omen: Der heilige Kilian war ein Wanderprediger.)
Nur ein Steinchen im Mosaik
Der 55-Jährige wohnt seit 20 Jahren wieder in Balterswil und ist fast gleich lang als Lektor tätig in «seiner» Kirche, die mittlerweile zum Pastoralraum Tannzapfenland geworden ist. Zudem arbeitet er als Wahlkreisvorsitzender im Büro der Synode mit. An der Kirche liebt er unter anderem die Gemeinschaft. Im Mai fand ein ökumenisches Helferessen der lokalen Kirchgemeinden statt, an dem er auch dabei war und sich über die vielen Menschen gefreut hat, die sich für die Kirche engagieren. Die Kirche soll seiner Meinung nach von der Gemeinschaft getragen werden – darum schätzt er es, wenn sich auch im Gottesdienst viele beteiligen. Die Zukunft der Kirche beschäftigt ihn: «Die Mischung aus Tradition und dem immer wieder sich Erneuern ist es, welches die Kirche stark werden lassen kann. Aber diesen Weg zu gehen, ist schwierig», sagt Kilian Imhof und fügt an, dass er sich dafür einsetzen wolle, Lösungen zu finden.
Was gibt ihm der christliche Glaube? «Ich vertraue darauf, dass meine Arbeit Früchte trägt, wenn ich sie gewissenhaft und gut mache. Ich erfahre immer wieder, dass mir etwas obendrauf geschenkt wird.» Wenn er schaue, in welcher jahrtausendealten Bewegung er sei, relativiere das einiges. «Obwohl mein Beitrag in der aktuellen Situation wichtig erscheint, bin ich doch nur ein klitzekleines Steinchen in einem riesigen Mosaik.»
Mit Ruhe und Abgeklärtheit
Als Cheftrainer des Elite Kaders im Orientierungslauf ist er für «die grossen Bögen verantwortlich». Beispielsweise, als er an einem Tag ins Wallis und wieder zurück reiste, um vor Ort Vorbereitungen für einen OL-Wettkampf zu treffen und am Abend noch eine telefonische Besprechung hatte. Diese findet dieses Jahr in der Schweiz statt, in der Region Flims Laax. Auch wenn dies generell mit erhöhten Erwartungen, mehr Druck, einer intensiveren Vorbereitung und grösserem Medieninteresse einhergeht, kann Kilian Imhof das Ganze mit einer beneidenswerten Ruhe und Abgeklärtheit nehmen: «Es ist eine Weltmeisterschaft (WM) in dieser Saison, die von vier Weltcupblöcken umgeben ist, und im Herbst folgt die Europameisterschaft.» In diesen Worten schwingt sicher sein Urvertrauen mit – und vielleicht auch eine Prise Selbstschutz.
Ein Sport für Jung und Alt
Kilian Imhof arbeitet zum dritten Mal für Swiss Orienteering. In der jetzigen Funktion seit 2020. In den 1990er-Jahren war er Trainer der Juniorinnen, als Simone Luder (heute Niggli) zum ersten Mal den Weltmeistertitel bei den Juniorinnen holte. In den Nullerjahren war Kilian Imhof Cheftrainer und Damentrainer des Elite Kaders. Vorher und dazwischen arbeitete er als Primarlehrer oder Schulleiter. Die Wechsel vom OL wieder in die Schule hatten mit seiner Familiensituation zu tun. «Weil man als Trainer viel unterwegs ist, konnte ich unsere Familie mit den vier Kindern zu wenig unterstützen», erzählt Kilian Imhof und: «Die Arbeit als Pädagoge hat mich wahrscheinlich am meisten geprägt und mir gezeigt, wie wichtig die Schule ist».
Dass er nach wie vor vom OL fasziniert ist und auch immer noch selber Wettkämpfe bestreitet, hat mehrere Gründe: «Ich bin ein Wettbewerbstyp. Vergleiche mich gerne mit anderen. Und - jeder OL ist wieder anders.» Immer wieder neu herausgefordert zu werden und Lösungen finden ist sein Ding. Zudem spricht es ihn an, dass OL ein Sport für Jung und Alt, für die ganze Familie ist. Seine mittlerweile erwachsenen Kinder haben immer noch Freude am OL und setzen sich in verschiedenen Funktionen für diesen Sport ein.
Gemeinschaft als Verbindendes
Stichwort Natur. OL-Naturerlebnisse geniesst Kilian Imhof. Nicht nur während eines Wettkampfes sondern auch beim Organisieren von Trainings. Er fühlt sich privilegiert, dank seines Berufs an wunderschöne Orte zu kommen. Zugleich dankbar, dass sein «pädagogisches und sein OL-Herz» sich beim Trainersein vereinen und er seine Leidenschaft weitergeben kann.
Seine Tätigkeiten sind verschieden, und doch haben sie etwas gemeinsam: Schlussendlich drehen sie sich immer um Menschen, und meistens geht es darum, zusammen Lösungen zu finden, die für die Gemeinschaft gangbar sind. «Gute Menschen geben mir viel», sagt Kilian Imhof. Diesen Satz nimmt man ihm ab – und noch mehr: Er gehört zu denjenigen Menschen, die anderen viel zu geben haben und dies mit Herzblut tun. Er schenkt anderen seine Zeit, seine Begabungen, seine Ruhe, seinen Rat und sein Vertrauen. Zum Beispiel als persönlicher Betreuer der Thurgauer Profi-Orientierungsläufer Daniel und Martin Hubmann. Daniel, den älteren der Brüder, betreut er seit 23 Jahren und Martin seit 14 Jahren.
Für die WM wünscht er sich, dass die Athlet*innen ihr Potenzial ausschöpfen können, somit die Arbeit belohnt wird und sich alle – inklusive Zuschauende – über die erbrachten Resultate freuen werden. Und zudem, dass das ganze Team es gut miteinander hat. Da ist er wieder, der rote Faden namens Gemeinschaft.
Martina Seger-Bertschi, 05.07.2023
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