Kirche darf nicht in Selbstbespiegelung verharren
Das Reformprojekt Weltsynode ist zu Ende gegangen. Kein Grund für Katholikinnen und Katholiken, sich zurückzulehnen, findet Papst Franziskus. In einer feierlichen Messe forderte er die Kirche auf, sich «die Hände schmutzig zu machen».
Nachdem Papst Franziskus seine Abschlussrede im Rahmen des Reformprojekts Weltsynode gehalten hatte, gab es frohen Beifall in der vatikanischen Audienzhalle. Nicht nur knapp vier intensive und fordernde Sitzungswochen lagen hinter den rund 370 Männern und Frauen; nein, das gesamte Projekt Weltsynode, das Franziskus 2021 ins Leben gerufen hatte, war zu einem Ende gekommen. Oder ist es ein Anfang? Diesen Eindruck vermittelte Franziskus beim feierlichen liturgischen Abschluss im vollbesetzten Petersdom.
«Hände schmutzig machen»
Mit Nachdruck ermutigte er die Katholiken, «aufzustehen» für die Zukunft der Kirche zum Wohl aller Menschen. «Angesichts der Fragen der Frauen und Männer von heute, der Herausforderungen unserer Zeit, der Dringlichkeit der Evangelisierung und der vielen Wunden, welche die Menschheit plagen, können wir nicht sitzen bleiben», sagte er. Die vielfach von Krisen geplagte Kirche dürfe nicht in Stillstand und Selbstbespiegelung verharren, sondern müsse sich «die Hände schmutzig machen, um den Menschen zu dienen». Einen Kontrast zu diesem öfter von Franziskus gebrauchten Bild bot der in strahlendes Gold und Weiss getauchte Petersdom. Die wichtigste Kirche der Christenheit hat sich bereits in Schale geworfen mit Blick auf das bevorstehende Heilige Jahr 2025.
Petersdom in Weiss und Gold
Erstmals seit vielen Monaten war der monumentale Bronze-Baldachin von Gian Lorenzo Bernini nach seiner Restaurierung wieder ohne Gerüst zu sehen. Ebenso wurde der antike Papst-Thron, die aus dem ersten Jahrtausend stammende «Cathedra Petri», ausnahmsweise seiner barocken Hülle entnommen.
Der schlichte Holzstuhl, der normalerweise in Berninis Figuren-Ensemble in der Hauptapsis verborgen ist, wurde am Ende der Messe vor den Baldachin getragen, wo der Papst kurz im stillen Gebet verharrte. Zuvor hatte er in seiner Predigt gesagt, der uralte Thron sei Sinnbild der Liebe, Einheit und Barmherzigkeit, in der Jesus den Apostel Petrus beauftragt habe, «nicht über andere zu herrschen, sondern ihnen in Liebe zu dienen».
Am Altar standen mit dem Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich und Kardinal Mario Grech aus Malta zwei Männer, welche die Synode entscheidend mitgeprägt hatten. Vor der Kommunion brachten Männer und Frauen verschiedener Kontinente, die an der Synode teilgenommen hatten, die Gaben zu Papst Franziskus; ein weiteres Signal, dass die Kirche nicht allein von Klerikern getragen wird.
Auch die hohe kirchliche Symbolik des 1635 vollendeten Baldachins aus Marmor, Bronze, Holz und Gold passte in den Gottesdienst: Gross wie ein zehnstöckiges Haus bekrönt er den Hauptaltar, unter dem das Grab des Heiligen Petrus liegt, auf den Christus seine Kirche bauen wollte.
Papst nimmt Beschlüsse der Synode an
Wie es in der katholischen Kirche weitergehen soll, darüber berieten die rund 370 Synodalen vier Wochen lang intensiv und oft durchaus kontrovers. Am letzten Abend stimmten sie über ein 50-seitiges Dokument ab. Sie sprachen sich dafür aus, dass Ortskirchen stärker über ihre eigenen Belange entscheiden können, dass sich die Kirche stärker gegen Missbrauch und für die Betroffenen einsetzt und dass eine mögliche Diakonenweihe für Frauen weiter geprüft und nicht ad acta gelegt wird. Für gewisse Überraschung sorgte, dass der Papst noch am Abschlussabend erklärte, er werde kein eigenes Abschlusspapier verfassen. Damit akzeptierte er die Beschlüsse der Synode, für die er während der Beratungen immer wieder um die Kraft des Heiligen Geistes gebetet hatte.
Sabine Kleyboldt/kath.ch, 6.11.24
Felix Gmür: «Man will überzeugen, nicht Druck aufbauen»
Die Synode hat keinen Entscheid zur Frauenweihe gefällt, aber die Frage des Zugangs von Frauen zum Diakonat soll offen bleiben. Bischof Felix Gmür sagt, wie er sich nun fühlt, dass er sich weiter für die Diakoninnenweihe einsetzen wird und warum er nach dem päpstlichen Nein zur Frauenweihe nicht abgereist ist.
Was die Frauenfrage betrifft, werden Sie mit leeren Händen in die Schweiz zurückkommen. Wie fühlen Sie sich dabei?
Felix Gmür: Die Synode hat die Synodalität zum Thema. Es geht um Prozesse und Zuständigkeiten. Deshalb habe ich keinen Entscheid zur Frauenweihe erwartet und fühle mich nicht schlecht.
Was werden Sie den Schweizer Katholikinnen sagen – wie können Sie ihnen noch entgegentreten und in die Augen schauen?
Gmür: Die Türen zur Diakoninnenweihe stehen weiterhin offen. Es wird von vielen Bischöfen gefordert, alles gut und gründlich zu prüfen. Deswegen dauert es leider noch. Für mich selbst ist die Sache klar, aber ich bin nur einer von sehr vielen. Ich setze mich weiterhin dafür ein und kann das den Menschen, die ich treffe und die sich dafür interessieren, auch sagen.
Warum haben Sie nicht ein Zeichen gesetzt? Sie hätten nach dem päpstlichen Nein zur Frauenweihe aus Protest abreisen können.
Gmür: Man kommt nicht zusammen, um abzureisen, wenn etwas nicht so schnell geht, wie man es selber möchte. Synodalität heisst ja gerade, gemeinsam den Weg zu gehen und Prozesse zu gestalten – und auch durchzustehen.
Sie sind nicht der einzige Bischof, der sich für den Frauendiakonat einsetzt. Gibt es eine gemeinsame Aktion der Bischöfe und Kardinäle, die auch so denken?
Gmür: Gemeinsame Aktionen gibt es nicht, aber das Ringen um Argumente und Vorgehensweisen.
Laufen Gespräche mit dem Ziel, Druck aufzubauen?
Gmür: Man will überzeugen, nicht Druck aufbauen.
Roma locuta, causa finita (Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt): Wie erklären Sie dieses unsynodale Vorgehen des Papstes und seines Vertrauten Kardinal Fernandez?
Gmür: Die Sache ist eben nicht beendet, sondern sie geht weiter.
Christian Maurer / kath.ch, 6.11.24
Weltsynode: mutig und zukunftsweisend
Kommentar von Walter Ludin
«Die Synode ist mutig.» So las ich am Samstagabend, wenige Stunden nach Abschluss der Weltsynode, im ersten Kommentar, den ich im Netz fand. Er stammt von der Chefredaktorin des Berner Pfarrblatts, einer sehr kritischen Journalistin. Ich füge hinzu: Die Synode ist zukunftsweisend. Nach diesem «Event» ist die Kirche nicht mehr die gleiche wie vorher. Dennoch ist sie die gleiche Kirche, jene von Jesus Christus. Und sie wird immer mehr der Urkirche gleichen, wenigstens in einem Punkt. Dies ersehen wir, wenn wir die Apostelgeschichte lesen. Dort heisst es im Bericht über das Apostelkonzil: «Es beschlossen die Apostel und Presbyter samt der ganzen Gemeinde …» (Apg. 15,22). Was war das anders als ein synodaler Vorgang?
Mag über die Weltsynode Euphorie aufkommen: Vergessen wir nicht, dass sie kein gesetzgebender Text ist. Es finden sich im 50seitigen Dokument bloss «Leitlinien». Sie müssen in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt werden. Nicht zuletzt – und es wurde versprochen, es zu tun – muss das Kirchenrecht möglichst bald entsprechend angepasst werden. Es darf nicht der gleiche Fehler passieren, wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dieses «vergass» zu fordern, dass der römische Codex Konsequenzen aus den Dokumenten zieht. So gelang es der Kurie, das Rad nach und nach zurückzudrehen.
So etwas darf nach der Weltsynode nicht geschehen. Und wird es auch nicht. Die Reaktionen auf das päpstliche «basta» zum weiblichen Diakonat lässt darauf hoffen. Viele Teilnehmer und vor allem auch Teilnehmerinnen leisteten heftigen Widerstand. Das Ergebnis zeigt, dass es sich gelohnt hat. Es gibt kein prinzipielles Nein zum Frauendiakonat. Damit ist nichts blockiert.
Frei nach Franziskus – jenem von Assisi – heisst es nun: «Brüder und Schwestern. Lasset uns anfangen. Es gibt viel zu tun.» Der Berg von nachsynodalen Hausaufgaben geht nicht nur die erwähnten Kirchenrechtler an. Auf jeder Ebene der Kirche, auch an der viel zitierten Basis, gilt es, die möglich gewordenen Reformen in Gang zu setzen.
Walter Ludin, 6.11.24
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