Schwester Maria-Stella im Kloster Mariastern in Amt eingeführt

Nach ihrer Wahl vor zwei Monaten bekam Sr. Maria-Stella von ihrem Bruder die freudige SMS « Wir sind Äbtissin ». Anfang November wurde ihr im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes im Zisterzienserinnenkloster Mariastern in Gwiggen die Leitung offiziell übertragen. Das Kloster pflegt eine enge Verbindung mit dem Thurgau. Nach der Aufhebung aller Klöster im Kanton (1848) flüchteten die Ordensfrauen aus drei Gemeinschaften ins österreichische Vorarlberg.

Mutter Maria-Stella, Sie sind neu Äbtissin der Zisterzienserinnenabtei Mariastern. Ich gratuliere. Gibt es für eine Ordensfrau so etwas wie einen Karriereschritt ?
Vielleicht mag es so ausschauen, dass es ein Karriereschritt ist. Wegen der Karriere geht man nicht ins Kloster, andernfalls würde man nicht bleiben. Durch die Wahl zur Äbtissin ändern sich die Aufgaben und die Verantwortung. Wie alle meine früheren Aufgaben ist es für mich ein Verfügbar-Sein für Seinen Ruf. Wie ich es mit meinem Wahlspruch aus dem Buch Haggai « Sein Geist bleibt in eurer Mitte » ausdrücken möchte, soll Sein Geist gesucht, erspürt und lebendig sein in der Gemein­schaft und erfahrbar werden.

Die Ursprünge des Klosters Mariastern liegen im Kanton Thurgau. Welchen Bezug haben Sie heute noch in die Schweiz, wenn es überhaupt noch einen gibt ?
Seit ich in Mariastern-Gwiggen bin, weiss ich um die vielen Kontakte in den Thurgau. Durch meine Tätigkeit an der Pforte durfte ich immer wieder in Kontakt sein mit Menschen aus dem Thurgau, im Besonderen aus den Orten unserer Stammklöster. Den Kontakt mit der Landeskirche Thurgau schätze ich sehr, und ich freue mich über die Begegnungen mit den Mitgliedern des Kirchenrates.

Sie leben zurückgezogen an einem Ort der Stille und doch weltlich. Sie führen einen Laden, ein Café und einen Gästebereich. Wie lässt sich das miteinander vereinbaren ?
Ja, man wechselt von Orten der Stille zu Orten der « Abwechslung » und des « In-Anspruch-genommen-Werdens ». Im Innern darf ich immer in der Verbundenheit mit der Gegenwart Gottes sein. Um dieses Verbundensein, um die Präsenz Gottes, egal wo, wissen wir, und wir achten sie. 

Wenn man sich in ein Kloster zurückzieht, lebt man dann auch abgekoppelt ?
Abgekoppelt klingt für mich ein wenig negativ. Vielleicht ist es mehr ein zurück­gezogeneres Leben, weil die Präsenz Gottes Achtsamkeit braucht. 

Für Ihren Orden ist Arbeit eine der drei Säulen des Glaubens. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn sich unsere Gesellschaft nur noch Gedanken darüber macht, wie man die Arbeit reduzieren könnte ?
Ich denke zuerst darüber nach, wie wir unsere Zeit füllen. Was ist uns wichtig ? Schenkt uns die Arbeit nicht auch Erfüllung und Freude ? Lässt sie uns nicht auch unsere Talente wecken und fördern? Arbeit trägt auch bei zur Sinnerfüllung. Dass alles das richtige Mass braucht und Aus­geglichenheit, merken wir erst dann, wenn es zu einem Ungleichgewicht gekommen ist. Dann können wir lernen, wieder ins Lot zu kommen und Arbeit und freie Zeit und Lesung und Gebet in Einklang zu bringen. 

Gibt es in einer Ordensgemeinschaft Platz zur Selbstverwirklichung, oder ist alles reglementiert ?
Es stimmt, dass vieles geordnet und vereinbart ist. Das gibt Struktur und Halt und ist für ein Gemeinschaftsleben auch wichtig und hilfreich. Die klare Tagesstruktur gibt einen Rahmen. In diesem Rahmen gibt es die Möglichkeit zur Entfal­tung und Entwicklung. Es kann schon vor­kommen, dass der Rahmen für einzelne eng empfunden wird. Da muss man gut hinschauen, worum es wirklich geht, und Möglich­keiten eröffnen, die Luft lassen oder Luft geben. 

Wie weltlich sind Sie interessiert ? Beispiels­weise an so etwas Profanem wie Fussball oder den jüngsten Wahlen in Vorarlberg ?
Politik und Sport sind schon auch Themen, die uns bewegen und über die wir sprechen. Für die eine mehr, für die andere weniger. Durchaus gibt es darüber regen Austausch. 

Im Kloster Mariastern sind Schwestern mit den verschiedensten Talenten vereint. Werden Talente nicht verschwendet, wenn alle gleichgestellt sind ?
Unsere Ordenstracht/unser Habit mag den Anschein erwecken, dass alle gleich sind. Wenn Sie uns ein wenig näher erleben, werden Sie schnell merken, wie viel Unter­schiedlichkeit und Vielfalt eine Gemein­schaft prägt und lebendig hält. 

Sie tragen einen Habit und stehen äusser­lich erkennbar für etwas, das nicht allen gefällt. Wie begegnen Ihnen Leute auf der Strasse ?
Ja, es kommt immer wieder vor, dass man auch ungut oder fragend angesprochen wird. Manche Kinder können gar nichts mit unserem Ordenskleid anfangen und fragen dann die Eltern, warum wir so « komisch » angezogen sind. Es kommt auch vor, dass sich jemand lustig macht, wenn er uns sieht. Da ist gerade eine grosse Not in unserer Gesellschaft, dass Kirche und Glaube keine Selbstverständlichkeit (mehr) sind. 

Viele Menschen wenden sich vom Glauben ab, treten beispielsweise aus der Kirche aus. Was antworten Sie jemandem auf der Strasse, der zu Ihnen sagt « Gott ist tot » ? 
Ich würde dann gerne « neugierig » nach­fragen, wie das gemeint ist. Welche Erfahrung und Erwartung liegt dem zugrunde? Glauben in einer so viel­schichti­gen Gesellschaft ist nicht selbstver­ständ­lich und auch nicht einfach. Trotzdem meine ich, dass die Botschaft Jesu erfüllend, bereichernd und orientierend sein kann. Darüber würde ich mich gerne mit Menschen austauschen, die von der Kirche enttäuscht sind.

Interview : Ralph Weibel, forumKirche, 20.11.24


Aus dem Thurgau vertrieben

Nach den napoleonischen Kriegen, von 1803 bis 1815, breitete sich im Thurgau eine kirchen­feind­liche Säkularisierung aus. Die Klöster durften keine Kandidierenden mehr aufnehmen und wurden unter finanzielle und staat­liche Aufsicht gestellt. Den Klöstern besonders feindselig gesinnt war der protestantische Pfarrer Thomas Bornhauser. Schon 1835 forderte er im Kantons­parlament, diesen jegliche Existenzberechtigung abzusprechen. 1848 beschloss der Grosse Rat, getrieben von chronischem Geldmangel, die Aufhebung aller Klöster. Davon betroffen waren die drei Klöster Mariazell zu Kalchrain in Hüttwilen, Kloster Feldbach in Steckborn und Kloster Tänikon in Aadorf.

Umnutzung der Klöster
Was mehrere Brandkatastrophen, die Reformation und sogar ein Erdbeben in Hüttwilen nicht beenden konnten, schaffte die Thurgauer Regierung mit ihrem Verbot. Vorübergehend flüchteten die Nonnen ins Klarissen­kloster Paradies, welches bereits 1836 aufgehoben worden war. Das Kloster Mariazell wurde in der Folge in eine kantonale Zwangsarbeiteranstalt umgewandelt. In dieser wurde versucht, « liederliche, lebensuntüchtige und arbeits­scheue » junge Männer und Frauen umzuerziehen. Heute dient das ehemalige Kloster als Mass­nahmen­zentrum für männliche Jugendliche, vorwiegend mit Suchtproblemen.

Die Nonnen aus der reichen Abtei Feldbach in Steckborn wurden enteignet und kamen zunächst bei ihren Schwestern in Tänikon unter. Ein Grossbrand zerstörte die ehemaligen Klostergebäude in Steckborn 1895. Gerettet wurde nur das Altkloster, das jetzt Teil eines Hotels ist. Das Kloster in Tänikon beherbergt heute die eidgenössische Forschungsanstalt Agroscope Tänikon

Neuanfang in Vorarlberg
Dem Thurgau endgültig den Rücken kehrten die Zisterzienserinnen 1856. Gemein­sam erwarben die Feldbacher Äbtissin Augustina Fröhlich von Balterswil und Priorin Ida Schäli von Sachseln das Schlösschen Gwiggen in Vorarlberg. Hier begannen die vereinigten Konvente von Kalchrain und Feldbach wieder ein geregeltes Ordensleben. 1869 schlossen sich ihnen die letzten Klosterfrauen aus Tänikon an. Diese waren zwischenzeitlich, in der Hoffnung einer baldigen Rückkehr, ins Kapuzinerkloster Frauenfeld gezogen. Seit der Zusammenführung im Kloster Mariastern lautet der offizielle Titel der Gemeinschaft: Konvent der vereinigten thurgauischen Abteien Kalchrain, Feldbach und Tänikon in Mariastern.

«Thurgauertag»
Was Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer feindseligen Vertreibung begann, hat sich längst in eine innige Freundschaft verkehrt. Diese manifestiert sich seit den 1970er-Jahren mit dem «Thurgauertag «. Die Idee dazu kam von der damaligen Äbtissin M. Agnes Fabianek. Sie nahm Kontakt zu den Pfarreien der Ursprungsklöster auf und besuchte sie. Seither laden die Zisterzienserinnen alle zwei Jahre zu einem Treffen im Kloster Mariastern-Gwiggen. 

Ralph Weibel, forumKirche, 20.11.24

Äbtissin Maria-Stella mit Bischof Benno Elbs von Feldkirch
Quelle: Christof Simma
Äbtissin Maria-Stella mit Bischof Benno Elbs von Feldkirch

 

 

Äbtissin Maria-Stella beim Einsetzungsgottesdienst
Quelle: Christof Simma
Prostration beim Einsetzungsgottesdienst in der Klosterkirche in Mariastern-Gwiggen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kloster Mariastern-Gwiggen in Vorarlberg
Quelle: Friedrich Böhringer / Wikimedia Commons
Zufluchtsort der Zisterzienserinnen: Mariastern-Gwiggen in Vorarlberg

 

Vierteiliges Kompositwappen
Quelle: Wikimedia Commons
Das vierteilige Kompositwappen vereint die Geschichte der Abtei in Gwiggen. Links oben das Symbol für Mariastern, rechts oben der Löwe für Feldbach, links unten Maria mit Kind für Kalchrain und rechts unten die Lilie für Tänikon. Offizieller Titel ist seit 1869: Konvent der vereinigten thurgauischen Abteien Kalchrain, Feldbach und Tänikon in Mariastern.

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