Gemeinsam den Antisemitismus hinterfragen
Das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hat die Polarisierung zwischen Menschen mit jüdischem Hintergrund und den Mehrheitsgesellschaften im Westen massiv verstärkt. In breiten Kreisen ist Antisemitismus wieder salonfähig. Ein Workshop will dazu anregen, darüber nachzudenken.
Die Hamas begann am 7. Oktober 2023 mit massivem Raketenbeschuss. Gleichzeitig überfielen Terroristen israelische Orte, Kibbuze und ein grosses Musikfestival. Sie ermordeten mindestens 1’200 Männer, Frauen, Kinder, alte Menschen, Sicherheitskräfte und entführten 240 Geiseln. Es gab 5’430 Verletzte. Es waren Jüdinnen und Juden, israelische Araberinnen und Araber, Beduininnen und Beduinen, Thai … Die Hamas filmte die Morde, Vergewaltigungen, Folterungen und Entführungen und stellte die Filme ins Netz. Es war der grösste Massenmord an Jüdinnen und Juden seit der Shoah, ein Schock, der bis heute andauert.
Gewalttätiger Antisemitismus
In Städten wie Berlin feierten propalästinensische Gruppen das Massaker. Der Judenhass stieg weltweit schlagartig in massivem Umfang und verharrt bis heute auf hohem Niveau. Jüdische Organisationen erhielten Mails wie: «Wir werden euch jagen und alle töten, das so lange, bis von euch niemand mehr lebt». Oder: «Ich freue mich über die Sonderbehandlung der Juden durch die Hamas. Eine wunderschöne Aktion. Heil Hitler!». An einer Aargauer Bezirksschule zeigten Mitschüler einem jüdischen Schüler den Hitlergruss und sagten: «Dich sollte man vergasen!» Sie schlugen ihn und zogen ihm die Hosen herunter. An Universitäten wagen sich jüdische Studierende nicht mehr in Vorlesungen. Es kommt zu Hassorgien gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Menschen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen.
Verschärfte Relevanz
Am 27. Januar 2025 wird der 80igste Jahrestag der Befreiung des KZs Auschwitz begangen. Vor 20 Jahren hat die UNO diesen Tag als Shoah-Gedenktag eingeführt. Er erinnert daran, wie Judenhass zur Vernichtung von sechs Millionen Menschen führte. Angesichts des wuchernden Antisemitismus erhält dieser Tag nochmals eine verschärfte Relevanz. Es war in den letzten Monaten viel die Rede von «Nie wieder», doch es blieb meist bei Lippenbekenntnissen. Menschen jüdischer Herkunft werden weltweit isoliert, boykottiert, geschnitten und attackiert. Sie erleben ein Déjà-vu der Erfahrungen ihrer Vorfahren und werden teils retraumatisiert.
Warum Judenhass?
Judenhass beschädigt alle Menschen in einer Demokratie. Er ist das Zeichen für einen zerstörerischen Umgang mit allen Minderheiten. Daher ist es wichtig, seinen Ursachen nachzugehen: 2’000 Jahre haben die christlichen Kirchen aller Couleur durch ihren Antijudaismus den Hass befeuert, danach wurde er säkularisiert und biologisch begründet und mündete in Europa in der Shoah. Heute kommen die Argumente oft auch aus der linken akademischen («antikolonialistischen») Ecke. Der Krieg Israels als Reaktion auf das Massaker vom 7. Oktober sowie der Raketenbeschuss der Hamas, Hisbollah, Huthis und vereinzelt des Irans wird oft als Grund genannt für Judenhass in Europa. Darum ist es wichtig, neben den Ursachen die eigenen Standpunkte zu hinterfragen. Ein Workshop hilft, Antisemitismus klarer zu definieren und berechtigte Israelkritik von antisemitischer zu unterscheiden.
Es geht nicht um politische Diskussionen, sondern darum, den Judenhass in seiner Herkunft und den Folgen besser kennen- und wahrnehmen zu lernen und dagegen vorgehen zu können. Das Thema ist sehr gefühlsbeladen. Der Abend bietet auch Gelegenheit, sich mit andern auszutauschen und Literatur kennenzulernen.
Christiane Faschon, 23.10.24
Antisemitismus früher und heute
Datum: Montag, 27. Januar 2025
Zeit: 19–21 Uhr
Ort: Zentrum Franziskus, Franziskus-Weg 3, 8570 Weinfelden
Leitung: Christiane Faschon, Theologin, Religionspädagogin, Journalistin und Israel-Kennerin und Jean-Pierre Sitzler, Theologe, Fachstellenleiter KEB
Kosten: Keine
Anmeldung bis 20. Januar 2025 auf: www.keb.kath-tg.ch oder Mail an keb@kath-tg.ch
Der Workshop ist eine Thurgauer Kooperation von tecum – Zentrum für Spiritualität, Bildung und Gemeindebau der evang. Landeskirche, der Kirchlichen Erwachsenenbildung der kath. Landeskirche und dem Interreligiösen Arbeitskreis im Kanton.
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