Ein Pastor mit Herz für Gefängnisinsassen und deren Familien

Norman Reed arbeitet seit 2009 als Pastor der lokalen evangelikalen Kirche Christian Family Centre Hobart in Risdon Vale, Tasmanien. In 13 Jahren entwickelte er mehrere erfolgreiche Projekte für das nahe gelegene Risdon-Gefängnis und wurde dafür mit verschiedenen Auszeichnungen geehrt, darunter einer Nominierung als Australier des Jahres 2019. Was ihn motiviert, erklärt er in einem inspirierenden Gespräch mit Kirche ohne Grenzen.

Norman Reed wollte nach dem Umzug nach Tasmanien einige seiner Ideen für Gemeinschaftsaktivitäten verwirklichen und ging deshalb zum Gemeindezentrum. Da stellte er fest, dass diese bereits umgesetzt worden waren – beispielsweise eine Werkzeugbibliothek oder ein Frühstücksprogramm für Kinder. «Es wurde mir klar: Gott möchte, dass ich aufhöre, meine Pläne zu realisieren, und mich dort engagiere, wo er schon etwas macht. Es steht in der Bibel: <Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht.> (Joh 5,19)», erklärt Reed und fügt hinzu: «Das war der erste Wendepunkt. Der zweite, der mich richtig herausforderte, kam etwas später, als ich ein Video-Besuchsprogramm für Gefängnisinsassen umsetzte. Ich kümmerte mich im Gefängnis seelsorgerlich um einen Mann, der schreckliche Verbrennungswunden hatte. Zwei Wochen später sah ich in einer lokalen Zeitung auf der Titelseite einen Text über jemanden, der seine Kinder durch einen Autobrand umbringen wollte und sich dabei schwer verletzte.» Reed wusste sofort, dass es genau jener Mensch war, den er begleitete. Das löste bei ihm einen Widerstand aus: Er wollte mit dieser Person nichts mehr zu tun haben. «Es wäre viel einfacher gewesen, wenn ich über sein Verbrechen nichts gewusst hätte. Dann sprach Gott zu mir: <Norm, ich weiss alles, was du getan hast, und vergebe dir trotzdem.> Es wurde für mich deutlich: Gnade ist nicht Gnade, wenn man das Vergehen nicht kennt.» Durch diese Situation hat der erfahrene Pastor eine wichtige Lektion für sein Leben erhalten. «Das Essenzielle ist, nicht zu verurteilen, sondern immer daran zu denken, dass alle Menschen gleichwertig und wir alle Sünder sind», bekennt er.

Den inhaftierten Jesus sehen
Als Pastor Reed das schöne Kirchengebäude in der Nähe des Gefängnisses sah, dachte er sofort an die Bibelstelle, wo Jesus am Jüngsten Gericht die Völker scheidet (Mt 25,32). Er sagt dazu: «Da fragten die Menschen: <Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?> Und Jesus antwortet: <Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr für mich getan.> (Mt 25,39-40) Ich hatte wirklich keine Ausrede, um den inhaftierten Jesus nicht zu sehen – unsere Gemeinschaft ist tatsächlich Nachbarin der Haftanstalt. Ich spürte den Drang, etwas zu unternehmen, aber es war noch nicht ausgereift. Mein Hilfsangebot gegenüber dem verantwortlichen Gefängnisseelsorger wurde abgelehnt, aber ich habe dennoch viele Gelegenheiten gefunden, mich zu engagieren. Schliesslich haben wir u.a. ein erfolgreiches Besuchsprogramm für Kinder der Insassen entwickelt – mit 16 Events pro Jahr in vier Gefängnissen in Tasmanien – und einen Spielplatz auf dem Gefängnisgelände gebaut. Ich wollte für die Kids Days die Mitarbeiter von Virgin Atlantic Airways involvieren, erhielt aber keine Antwort. Gott hatte etwas Besseres im Sinn: Es kam zu einem Treffen mit Sir Richard Branson, dem Gründer der Fluggesellschaft Virgin Atlantic Airways. Er nahm an einem Videobesuch zwischen einem Häftling und dessen Sohn teil. Branson bloggte später über das Ereignis, was meine Arbeit bekannt machte. Es weckte die Aufmerksamkeit einer grossen Anwaltskanzlei, die anbot, für meine Arbeit ehrenamtlich die Stiftung Onesimus zu gründen», sagt Reed erfreut.

Sendungsbewusstsein 
«Das Wichtigste, das christliche Kirchen machen sollten, ist, eine organische und natürliche Entwicklung des Sendungsbewusstseins zu fördern», sagt der Pastor. «Wichtig ist nicht die Anzahl Gruppierungen und Aktivitäten einer Kirche auf der Website, sondern, ob gute Taten im Alltag praktiziert werden. Es ist entscheidend, dass die Mitglieder der Gemeinschaft die Bedürfnisse ihrer Nächsten erkennen und danach handeln. Kirche soll die Aussendung ausleben, aber nicht von oben nach unten oder umgekehrt, sondern quer durch die gesamte Gemeinschaft.» 

Text und Übersetzung: Monika Freund Schoch, 15.11.2022


«Lord, when did we see you in prison?»

A pastor from Australia with a heart for inmates and their families


Norman Reed has been working as pastor of a local evangelical church Christian Family Centre Hobart in Risdon Vale (Tasmania) since 2009. In 13 years, he developed several successful projects for the prison next door and was honored for it with a wide variety of awards, including a nomination as Australian of the Year 2019. 

When Pastor Reed saw the beautiful church building he received for his congregation in Tasmania, near the prison, he immediately thought of the Bible passage where people asked: «When did we see you sick or in prison and come to you?» And Jesus answered: «Whatever you did for one of the least of these brothers of mine, you did for me» (Mt 25,32-40). «I really would have no excuse in front of the Lord, if I wouldn’t visit the inmates, as our community is a neighbor of a jail», admits Norm Reed. 
Mr. Reed felt the urge to do something, but his offer of help to the prison chaplain was rejected. Nevertheless, through a long series of events, he found many opportunities to get involved. Eventually, among other things, he developed a successful visiting program for inmates' children (16 events per year in 4 prisons in Tasmania) and built a playground on the prison’s ground. 
When he tried to involve staff of the Virgin Atlantic Airways for the Kids Days, they didn’t even respond. God, however, had something better in mind and ultimately Norm Reed met with Sir Richard Branson (owner of the Virgin Atlantic Airways) who participated in a video visit between an inmate and his son. Sir Branson’s blog-post about this event raised the profile of Norm’s work and attracted the attention of a large legal firm which offered to establish a Foundation pro bono for Norm’s work. That’s how the Onesimus Foundation came into being. 
 

Pastor Norman Reed
Quelle: Norman Reed
Pastor Norman Reed

 

 

Risdon Prison
Quelle: Norman Reed
Risdon Prison ist ein grosses Gefängnis in Hobart, Tasmanien. Der australische Pastor Norman Reed engagiert sich für die Insassen und deren Familien.

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