Riten und Bräuche rund um das Osterfest

Was verbirgt sich hinter den Symbolen der Osternacht? Was hat das Ei mit Ostern zu tun? Wie feiert man in anderen Gegenden dieses zentrale Fest der Christenheit? forumKirche fragte bei dem österreichischen Volkskundler Reinhard Kriechbaum nach, der gerade ein Buch über Osterbrauchtum veröffentlicht hat.

Viele meinen, Bräuche seien meistens uralt und vom Aussterben bedroht. «Beides stimmt nicht», korrigiert Reinhard Kriechbaum dieses gängige Vorurteil. «Bräuche wandeln sich schnell. Und wenn sie aus der Mode kommen, werden sie an die Zeit angepasst.» Denn in ihnen spiegelt sich all das, was Menschen wichtig ist. Bräuche durchbrechen Eintönigkeit, gliedern das Jahr und lassen einen das Verfliessen der Zeit empfinden. Darüber hinaus stiften sie Gemeinschaft und vermitteln damit ein Stück Sinn im Leben. Im Blick auf das Christentum erscheint es dem Experten für Volkskunde interessant, dass sich gewisse Rituale und Bräuche länger halten als der Glauben bzw. die Bindung zur Kirche. Dies trifft auch auf Ostern zu.

Licht breitet sich aus

Die Osternachtfeier ist eine der eindrücklichsten Liturgien im Kirchenjahr. Sie lebt vom Kontrast von Dunkelheit und Licht. In der unbeleuchteten Kirche können die Gläubigen die Verzweiflung der Jüngerinnen und Jünger nachempfinden, für die der Tod Jesu das Ende aller Hoffnung bedeutete. Den Gegenpol bildet das Osterfeuer vor der Kirche. «Es ist naheliegend, dass man die Feier der Auferstehung mit Licht beginnt», sagt Reinhard Kriechbaum. Am Feuer wird die Osterkerze entzündet, die für den Auf - erstandenen steht. Der Zelebrant trägt sie mit dem dreimaligen Ruf «Lumen Christi» (Christus, das Licht) in die dunkle Kirche, wo ihr Licht nach und nach an die Kerzen der Mitfeiernden weitergegeben wird. So wie sich für die Freunde Jesu durch verschiedene Erfahrungen der Auferstehung die dunkle Nacht aufhellte, verbreitet sich das Licht im Kirchenraum. «Die Osterkerze ist ein sehr altes Symbol. Hieronymus erwähnt sie bereits 384 n. Chr. in einem Brief, 417 ist sie in einem Gottesdienst des Papstes verbürgt», so Kriechbaum. Neben dem Feuer prägt das Element Wasser die Osternacht: Mit dem Eintauchen der Osterkerze in das Becken wird das neue Tauf- und Weihwasser gesegnet. Dieser Ritus der Auferstehungsfeier war in den ersten Jahrhunderten des Christentums mit der Taufe von Erwachsenen verbunden. Die frisch Getauften trugen danach eine Woche lang weisse Gewänder. Der Name «Weisser Sonntag» (domenica in albis) erinnert noch an diesen Brauch. Bis heute finden in der Osternacht Taufen statt.

Osterbräuche mit Feuer

Das Feuer der Osternacht regte zu weiterführenden Bräuchen an. In Lungnau (Region Salzburg) werden beispielsweise riesige Holztürme in der Osternacht abgebrannt. Das Fackeltragen ist in Kärnten guter Brauch. Junge Burschen schleppen vier Meter lange, brennende Holzstämme auf die Felder und zeichnen damit Kreuze, Spiralen und Sternformen in den Himmel. In Lüdge im Weserbergland (D) werden brennende Osterräder von einem Hang aus ins Tal gerollt. Osterfeuer gehen zum Teil auf ältere, heidnische Wurzeln zurück. «Schon der heilige Bonifatius fragte 751 Papst Zacharias, wie man mit diesen Bräuchen umgehen solle», so Kriechbaum. Man verständigte sich darauf, die Feuer zu segnen. Das Weihfeuertragen, das in der Oststeiermark und in Kärnten verbreitet ist, hat einen anderen Hintergrund. Da man am Gründonnerstag das Feuer im Herd ausgehen liess, segnete der Pfarrer am Morgen des Karsamstags ein Feuer, das Kinder mit Hilfe von glimmenden Baumschwämmen von Haus zu Haus trugen. «Mit dem frisch entfachten Feuer konnten die Osterspeisen zubereitet werden», erklärt Reinhard Kriechbaum.

Gesegnete Osterspeisen

Zu jedem Fest gehört auch ein gutes Essen. Dieses erhielt an Ostern immer schon einen besonderen Segen. Bis heute werden die Osterspeisen an vielen Orten im Anschluss an die österlichen Gottesdienste gesegnet. In manchen Teilen Österreichs segnet man die Speisen schon am Vormittag des Karsamstags. Reinhard Kriechbaum erinnert sich daran, dass in seiner Kindheit in Graz der Priester noch zu jeder vollen Stunde vor die Kirche kam, um die Körbe der Anwesenden zu segnen. Zu einem «Weihkorb» gehören Eier, Brot, Schinken, Speck oder Rauchfleisch, Meerrettich und eventuell auch Gebildbrote (Brote mit einer besonderen Form). «Der Inhalt der Körbchen unterscheidet sich regional kaum. Schon Luther beschrieb die Osterspeisen so», hebt Kriechbaum hervor. Die gebackenen Osterlämmer erinnern an biblische Bilder für Jesus: das Opferlamm, das Paschalamm oder das Lamm Gottes. «Die aus feinem Weissmehl gebackenen Lämmer waren früher ein ausgesprochenes Festessen», so der Volkskundler, «sie wurden deshalb gern verschenkt.»

Kein Ostern ohne Ei

An erster Stelle der Osterspeisen steht unangefochten das Ei. Wie kam es dazu? Von theologischen Begründungen hält Kriechbaum wenig. Diese seien zu abstrakt und könnten daher keine flächendeckende Verbreitung dieses Bauches begründen. Für ihn zählen eher ganz praktische Erwägungen: Nach 40 Tagen Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte in der Fastenzeit hatten sich viele Eier angesammelt, die auf Ostern hin gekocht und gegessen wurden. Durch das Einfärben konnte man die hartgekochten besser von den rohen Eiern unterscheiden. Die bereits im 12. Jahrhundert eingeführten Eiersegnungen könnten angesichts der langen Lagerung, so der Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser, als göttliche Versicherung verstanden worden sein.

Massenproduktion macht es möglich

Und wie kommt es, dass ein Hase die Ostereier bringt? Kriechbaum bringt dessen Entstehung mit dem Mangel an Bräuchen und Ritualen in der protestantischen Kirche zusammen: «Dieser Mangel wurde als Defizit empfunden. Um den Kindern etwas zu bieten, führte man den Osterhasen ein, der die Eier versteckt.» Diesen Brauch kannte man bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem in den Städten, erst zwischen den Weltkriegen dehnte er sich auch auf ländliche Gebiete aus.

Dabei war der Hase keineswegs das einzige Ostertier: In Thüringen war es der Storch, in Schleswig-Holstein der Hahn und in Tirol die Osterhenne. Der Palmesel brachte in der Gegend von Fulda Geschenke, der Fuchs in Westfalen und – bis heute noch – in Hessen. In manchen Gegenden der Schweiz war der Kuckuck für die Ostereier zuständig, in der Grenzregion zwischen Deutschland und den Niederlanden war es der Kranich. Schliesslich setzte sich aber der Hase gegen alle Konkurrenten durch. Verantwortlich dafür ist das Aufkommen der industriellen Schokoladenherstellung, die dieses Motiv bevorzugte. Kinderbücher und Postkarten leisteten ihr dabei Unterstützung.

Begegnung und Spass

Ostern war in früheren Zeiten ein besonderer gesellschaftlicher Anlass. «Zu diesem Fest sind alle – auch die von den entferntesten Gehöften – in die Kirche gegangen. Und nach der Messe hatte man Gelegenheit, sich zu begegnen», so Kriechbaum. Für die jungen Leute sei es die Chance gewesen, sich gegenseitig kennenzulernen. Mit der Aussaat begann dann wieder die Feldarbeit, die dafür wenig Zeit liess. Bei solchen Zusammentreffen entwickelten sich auch Spiele, bei denen Kraft, Geschicklichkeit und Anmut bewiesen werden konnten. Zum Teil mussten dafür die Ostereier herhalten. Verschiedene Eierläufe und das Eiertütschen sind Beispiele dafür. An anderen Orten liess man ein Ei über Holzstiele auf die Wiese rollen, um ein anderes Ei zu treffen. In Zürich kennt man den Brauch des «Zwänzgerle», bei dem man versucht, eine Münze so zu werfen, dass sie in einem Ei stecken bleibt. In slawischen Ländern haben die Mädchen am Ostersonntag die Aufgabe, schweigend Wasser zu holen. Bringen sie die Burschen dabei zum Reden, verliert das Wasser seine Segenskraft. In Ungarn müssen die Mädchen aufpassen, dass sie nicht nass werden. Die Jungen versuchen, einen Eimer Wasser über sie zu giessen. Attraktive Mädchen erwischt es häufiger. Heute kommt anstelle eines Eimers eher eine Parfümflasche zum Einsatz.

Detlef Kissner (15.4.19)


Buchtipp

«Heringsschmaus und Kreuzlstecken»

Warum gibt es Starkbier zur Fastenzeit? Wann gehen Glocken auf Reisen und was haben Hasen mit Ostern zu tun? Antworten auf diese und viele andere Fragen gibt Autor Reinhard Kriechbaum bei seiner vergnüglichen Erkundungstour durch die Welt der Osterbräuche und Traditionen aus dem Alpenraum in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Gerade in unserer postreligiösen Konsumgesellschaft erleben Bräuche momentan eine Renaissance. Altes wird liebevoll weitergeführt oder «auferweckt» und an neue Lebensformen und veränderte Denkweisen angepasst. Ob mit «Himmelbrotschutzen», «Oaradln», «Pschuurirolli» oder «Liabstattln»: Die Welt der Osterbräuche ist erstaunlich farben- und bilderreich.

Autor: Reinhard Kriechbaum
Verlag: Anton Pustet ISBN: 978-3-7025-0922-4


 

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Reinhard Kriechbaum arbeitet als Kulturjournalist in Salzburg.

Bild: © Heidemarie Klabacher

 
 
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Die mit Stroh ausgestopften Osterräder werden angezündet und ins Tal hinuntergeschickt (hier in Lüdge 2011).

Bild: TUBS/Wikimedia Commons

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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