Die paritätische Kirche in Leutmerken
Man sieht es dem Kirchlein Leutmerken nicht unbedingt an: Aber in der Reihe der Gotteshäuser im Thurgau hat es eine besondere Stellung. Es wird seit über 400 Jahren von Katholiken und Evangelischen gemeinsam genutzt. Sehr zur Freude von Pfarrer Marcel Ruepp.
«Es ist doch ein schönes Zeichen, dass Evangelische und Katholiken ihre Gottesdienste im selben Raum feiern könnten», sagt Pfarrer Marcel Ruepp. Er ist Leiter des weitläufigen Pastoralraumes Nollen-Lauchetal-Thur. «Wir haben ja denselben Glauben und denselben Gott.» Das Verhältnis zu den Evangelischen in der Kirchgemeinde Bussnang-Leutmerken funktioniere sehr gut. «Eine Herzensbindung müsste aber erst noch wachsen. Von den Glaubensgeschwistern der Apostelgeschichte sind wir noch meilenweit entfernt», stellt er nüchtern fest.
Gleichwohl bestehe gerade in Leutmerken eine besondere Nähe zur Schwesterkirche. Dass die Kirche in das Grün der Umgebung eingebettet ist, findet er sehr schön. Dankbar ist Pfarrer Ruepp auch für die schöne Kirchendekoration: «Ich verstehe mich sehr gut mit der Mesmerin Silvia Rieser, sie legt ihr Herz und ihren Glauben in ihre Aktivitäten hinein.» Der Mehraufwand, der sich durch nötige Absprachen mit den Evangelischen für die gemeinsame Nutzung der Kirche ergebe, sei im Verhältnis zum Mehrgewinn nicht der Rede wert.
Vertrauen auf Gottes Zusage
«Ich vermute, dass die Kirche Leutmerken einmal ein ungenutztes Kulturdenkmal werden wird», meint Pfarrer Ruepp mit Blick auf die abnehmende Bedeutung der christlichen Kirchen. «In absehbarer Zeit werden wir zu viele Gotteshäuser haben.» Der Umnutzung von Kirchen stehe er persönlich eher skeptisch gegenüber. «Aber vielleicht wird die Kirche in Leutmerken auch mal von einer anderen Religionsgemeinschaft weitergenutzt? Der Mensch denkt – Gott lenkt!», gibt sich Pfarrer Ruepp zuversichtlich. Er glaube und hoffe auf das, was im Epheserbrief steht: «Ich habe euch erwählt vor der Grundlegung der Welt.» (Eph 1,4) Und das gelte nicht nur für die Kirche in Leutmerken!
Ein Versprechen, das seit 400 Jahren Bestand hat
Im Thurgau stehen noch heute paritätische Kirchen dort, wo sich weder die Evangelischen noch die Katholiken eindeutig durchsetzen konnten. Nach der Reformation hingen die Leutmerker*innen zunächst dem neuen Glaubensbekenntnis an. Das war nicht zuletzt dem Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer zu verdanken, der aus Konstanz in den Thurgau flüchtete und dort bis 1563 als Pfarrer wirkte. Die Verhältnisse änderten sich allerdings 1607, als der Gerichtsherr Marx von Ulm zum Katholizismus übertrat und nach der verheerenden Pest 1611 elf leer stehende Häuser aufkaufte und diese an Katholiken vermietete. Bald erreichte er auch die Wiederaufnahme der katholischen Messe. Marx von Ulm versprach jedoch den nur noch acht evangelischen Haushaltungen, die nach der Pest übriggeblieben waren, sie bei ihrem Glauben und bei ihrem Gottesdienst zu belassen. Dieses Versprechen, vor über 400 Jahren gegeben, hat sich bis heute gehalten.
Esther Simon/Red., 28.02.2024
(Erstveröffentlichung Kirchenbote TG 2/24)
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