Sehnsuchtsort der Ökumene im Burgund

Vor 75 Jahren legten die ersten sieben Brüder in Taizé ihr Gelübde ab. Begründer des internationalen, ökumenischen Männerordens war der Schweizer Roger Schutz. Mit 90 Jahren fiel er einem Attentat zum Opfer.

Den Anfang der Geschichte, zu welcher der gewaltsame Tod von Frère Roger, eine Siegerin beim Eurovision Song Contest (ESC) und eine eigene Liederkultur gehören, begann bereits während des Zweiten Weltkrieges. Roger Schutz kam im August 1940 nach Taizé, das im unbesetzten Teil Frankreichs lag. Der Sohn eines evangelischen Pfarrers kaufte ein Haus, in welchem er Kriegsflüchtlinge und Juden aufnahm, bis die deutsche Wehrmacht das Gebiet besetzte. Schutz musste selbst flüchten und kehrte erst aus der Schweiz zurück, als die Alliierten im Herbst 1944 Frankreich befreit hatten.
Er mietete mit drei Freunden zwei weitere Häuser dazu. Zusammen mit Rogers Schwester Geneviève betreuten sie Kriegswaisen und deutsche Kriegsgefangene in einem nahen Lager. Wie in den Gründungsjahren kümmert sich die Gemeinschaft bis heute um Opfer des Krieges. Beispielsweise richteten die Brüder im Nachbarort Ameugny 2016 ein Aufnahmezentrum ein, nachdem das Flüchtlingslager von Calais («Dschungel von Calais») geräumt wurde.

Herzensangelegenheit
Am Ostersonntag 1949 legten die ersten sieben Brüder, die evangelischer Herkunft waren, ihr Gelübde zu einem Leben in Ehelosigkeit, Gemeinschaft und Einfachheit ab. Obschon sich der Bewegung schnell Katholiken anschlossen, tat es ihnen erst 20 Jahre nach der Ordensgründung ein junger belgischer Arzt gleich - mit dem Segen des damaligen Erzbischofs von Paris. Von Beginn an war der Austausch mit der Römischen Kurie für Frère Roger eine Herzensangelegenheit. Aktuell leben in der Taizé-Gemeinschaft rund 80 Brüder aus 30 Ländern. Zu erkennen sind sie an ihrem weissen Habit ohne Gürtel (Zingulum). Die Brüder tragen den Habit üblicherweise nur während der drei täglichen Gebete. Ein weiteres Zeichen ihrer Gemeinschaft ist das Taizé-Kreuz (siehe Kasten). Ein solches trug Lena Meyer-Landrut 2010 beim Sieg des Eurovision Song Contest  in Oslo.
Seit den 1950er-Jahren reisen Tausende Jugendliche aus aller Welt zu ökumenischen Treffen nach Frankreich. In Taizé diskutieren sie Bibeltexte und Fragen des Glaubens in internationalen Arbeitsgruppen. Ebenfalls dazu gehören meditative Gesänge. Die einstrophigen, schlichten Lieder, die oft in verschiedenen Sprachen gesungen werden können, sind zu einem Markenzeichen geworden. Viele von ihnen haben den Weg in deutschsprachige Gesangsbücher gefunden.

Besuch vom Papst
Als Erzbischof von Krakau besuchte Karol Wojtyla Taizé und kam 1986 als Papst Johannes Paul II. nochmals zurück. Über den Ort sagte er: «Man kommt nach Taizé wie an den Rand einer Quelle.» Jedes Jahr empfing der Papst fortan Frère Roger zu einer Privataudienz und setzte die Verbundenheit mit der Gemeinschaft im Burgund fort.
Ausgerechnet Frère Roger, der sich sein Leben lang für Menschlichkeit und Frieden eingesetzt hatte, fand einen gewaltsamen Tod. Im August 2005 attackierte ihn eine psychisch kranke Frau während des Abendgottesdienstes in der Versöhnungskirche von Taizé mit einem Messer.

Ralph Weibel, forumKirche, 4.9.24


Das Taizé-Kreuz verbindet zwei christliche Symbole: das Kreuz und die Taube. Das Kreuz erinnert an Tod und Auferstehung Jesu und die Hoffnung der Gläubigen auf Erlösung. Die Taube taucht bereits in vorbiblischer Zeit als Symbol des Friedens auf. Im christlichen Kontext ist sie auch Symbol für den Heiligen Geist: Gottes Geist führt die Völker in Frieden zusammen. Die Kreuze werden von den Brüdern der Gemeinschaft hergestellt und in der «Exposition» verkauft. Viele Jugendliche tragen den Kreuz-Tauben-Anhänger nach ihrem Aufenthalt in Taizé.

Mittagsgebet in der Versöhnungskirche von Taizé
Quelle: Wikimedia Commons / Christian Pulfrich
Mittagsgebet in der Versöhnungskirche von Taizé

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Taizé-Kreuz
Quelle: Wikimedia Commons/surfnico
Taizé-Kreuz

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